Mittwoch, 17. November 2010

Colegio San Juan de Apostól

Damit Ihr auch nicht denkt ich würde es mir hier nur gut gehen lassen und in der Gegend herumreisen, sollte ich endlich ein wenig von meiner Arbeit und meinem Alltag hier in Arequipa berichten.

Ich arbeite hier in der Schule San Juan de Apostol. Das ist eine Schule in dem sehr armen Viertel Villa Cerillos. Villa Cerillos liegt sehr weit außerhalb von Arequipa. Es ist ein Viertel, das sich immer weiter ausbreitet, die Besiedlung klettert quasi stetig die Berge im Norden Arequipas hinauf. Die Menschen, die dort leben kommen meist aus den Dörfern der Sierra und wollen ihr Glück in der Stadt versuchen. Es gibt selten Strom und Wasser, ein Abwassersystem gibt es nicht, ebenso wenig Trinkwasser und Straßen; von Bäumen oder Sträuchern ganz zu schweigen. Dafür gibt es eine unglaubliche Menge Staub, Sonne und Wind und sehr sehr viele streunende Hunde. In jedem Fall ist Villa Cerillos ein ziemlich trostloser Ort zum Aufwachsen. Die Schule empfinde ich als kleinen Hoffnungsschimmer oder als „Insel der Perspektive“ in diesem staubigen Dasein.














 
























Die Schule wird von der christlichen NGOs Movimiento de Vida Christiana getragen, die es den Schülern dort ermöglicht, überhaupt in die Schule zu gehen. Die meisten Schulen in Peru kosten nämlich sehr viel Schulgeld und in San Juan de Apostól können die Kinder (4 – 17 Jahre) gegen einen sehr geringen Betrag die Schule besuchen und dort auch essen. Dafür müssen die Eltern sich dann aber in der Schule einbringen, so kochen die Mütter abwechselnd das Schulessen und die Väter reinigen die Klassenräume.



 
Ein Schultag fängt für mich mit frühem Aufstehen um 6 Uhr an, denn ich muss um 8 Uhr an der Schule sein und vorher eine knappe Stunde dorthin fahren. Das erste Abenteuer meines Tages besteht daher in meiner Fahrt nach Villa Cerillos mit dem „Mikro“. Die Mikros sind hier, neben den kleinen gelben Taxis, die typischen Verkehrsmittel. Es gibt keine großen Busse, sondern unglaublich viele dieser kleinen Vans. Alle sind wahnsinnig vollgestopft mit Menschen, Waren und manchmal auch kleinen Tieren und aus der Tür hängt ein Typ, der die Destinationen des Busses herausschreit. Dabei versucht er Straßenlärm und die anderen Busschreier zu übertönen. Außerdem gibt es einen Fahrer, der natürlich versucht das Beste aus seinem Bus rauszuholen und die anderen Fahrer zu überholen. Die Mikros sind von innen mit unzähligen Heiligenbildern geschmückt und die Fenster zieren „Dios Siempre“ – Sprüche. Es ist jedenfalls jedes Mal ein Glücksspiel den richtigen Mikro zu erwischen und dann ein großer Spaß mit dem Ding durch die Straßen zu heizen. Besonders wenn dann in Villa Cerillos die Straße aufhört und der Bus sich eigentlich nur noch von Schlagloch zu Schlagloch hüpfend fortbewegt. Dabei wird meistens ohrenbetäubend Musik gehört, am besten war meine einstündige Fahrt mit DJ-Bobo-Liedern in Wahnsinns-Lautstärke (ohne Pause!!).
Mikro in Villa Cerillos



In der Schule arbeite ich mit den ganz kleinen, 
4jährigen Kindern („los chicititos“) zusammen.
Meine Kids
Diese trudeln bis 8:30 Uhr so langsam ein und meistens brauchen die Lehrerin Carmen und ich erstmal eine weitere halbe Stunde, um einige Kinder ein bisschen zu pflegen und herzurichten. Einige kommen sehr ordentlich und schick gemacht zur Schule, andere hingegen sind schon ziemlich verwahrlost. Viele haben zum Beispiel durch die starke Sonne sehr kaputte Haut und bekommen dann von mir erstmal Penatencreme verpasst. Klar, dass viele Eltern kein Geld für Sonnencreme haben.



Im Unterricht machen die Kinder vor allem eine Art spielerischen Sachunterricht. In der ersten Woche haben wir alles über Pflanzen gelernt; zurzeit nehmen wir Tiere durch: Was ist ein Haustier, was ein wildes Tier? Welches Tier ist ein Säugetier? Was machen diese Tiere für den Menschen? So kam es dann letzen Freitag auch zu unserem großartigen Haustiertag an dem jedes Kind sein „Mascotta“ mitbringen durfte. Im Klassenraum fanden sich dann schließlich ein Lamm, ein Ferkel (das sehr laut quickte, die Beförderung in der Plastiktüte sagte ihm scheinbar nicht so zu), 2 Hühner, ein Hahn, eine Ente sowie diverse Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Küken wieder.

Schaf und Kind habe ich dann noch heimgebracht...


































Zusätzlich lernen die Kinder sehr viel über Krankheiten und Hygiene, was dort auch wirklich nötig ist. Wir machen zum Beispiel jeden Tag eine halbe Stunde Händewasch-Training (90% der Kinder haben Würmer!). Zudem fangen sie auch schon an Zahlen und Buchstaben zu schreiben und ein bisschen Englisch zu lernen (das ist dann mein „Kurs“).




Neben dem Englischunterricht unterstütze ich die Lehrerin eher allgemein in allen anfallenden Aufgaben: In der Klasse sind 35 Kinder, das ist einfach viel zu viel für eine Lehrerin und auch viel zu viel zum vernünftigen Lernen. Die Kinder schaukeln sich einfach immer wieder gegenseitig hoch, wenn die einen grade mal ruhig sind, fangen die andren an. Carmen macht das zwar total gut und hat die Kinder toll im Griff, trotzdem braucht sie Unterstützung. Ich schaue Hausaufgaben nach, arbeite mit einzelnen Kindern, die langsamer sind oder etwas nicht verstanden haben, setze mich an die Tische und rechne mit ihnen, bastle oder singe mit ihnen. Wenn die Kinder ganz unruhig sind, teilen wir die Klasse auf und ich spiele mit einem Teil im Hof, während Carmen mit den Anderen in Ruhe arbeiten kann. Außerdem kümmere ich mich noch jeden Tag um die Hausaufgaben; d.h. ich schreibe die Aufgaben in jedes der 35 Hefte – schließlich gibt es da ja keinen Kopierer…

Um 12 Uhr, nach einer Spielpause, gibt es dann Mittagessen, das ausgeteilt und den Kindern zum Teil auch ein bisschen reingezwungen werden muss – für manche ist es schließlich die einzige vernünftige Mahlzeit am Tag. Gegen 13.30 Uhr sind wir dann fertig und ich helfe noch ein bisschen den Klassenraum aufzuräumen, bevor ich mich dann vollkommen platt wieder in meinen Mikro und somit auf den Heimweg nach Cayma begebe. 




Alles in allem ist die Arbeit wirklich toll. Klar ist es total anstrengend mit den Kleinen, manche sind echte Rotzblagen die überhaupt nicht hören, es wird den ganzen Tag geschrieen, gehauen und gezerrt. Trotzdem:  Ich habe in jedem Fall das Gefühl dort gebraucht zu werden und diesen Kindern ein kleines bisschen was geben zu können. Die Meisten sind auch wirklich sehr süß und putzig. Man merkt schon, dass viele sich total freuen dort in die Schule zu kommen und lernen zu können und sie sind auch mir gegenüber wirklich dankbar und glücklich, dass „Senorita Magdalena“ da ist. Ich muss jeden Tag unzählige Küsse verteilen (und empfangen), die Kinder hängen an sämtlichen Armen und Beinen und knutschen mich ab (einige haben scheinbar einen ziemlichen Nachholbedarf an Zärtlichkeiten) und ich muss immer versprechen auch wirklich morgen wieder zu kommen. Es bricht mir schon ein wenig das Herz, wenn ich dies in ein paar Wochen nicht mehr versprechen kann…
















Wenn ihr sonst nach meinem Alltag fragt, so gehe ich brav zweimal die Woche in die Sprachschule und mache meine Hausaufgaben. Die transatlantische Kommunikation nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch und sonst gehe ich viel mit meinen Mitbewohnern in die Stadt, ins Kino und in die viele schönen Restaurants und Bars von Arequipa.

Viel Zeit bleibt für diesen Alltag aber sowieso nicht – am Wochenende geht es schon wieder los: diesmal reisen wir in den Colca Canyon, der angeblich tiefste Canyon der Welt, um Kondore anzuschauen und drei Tage im Canyon herumzuwandern. Ich werde dann berichten! :-)

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